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Stellungnahme zu:
Veröffentlichung Schwarzbuch Bund der Steuerzahler vom 05.10.2017
Breitbandgeschäft des azv Südholstein


(Hetlingen, 05. Oktober 2017).

 

In den späten „Nullerjahren“ lag zur Breitbandversorgung im Verbandsgebiet des AZV Pinneberg folgende Situation vor:

Während die Städte aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte die Möglichkeit hatten, selbst erste Initiativen zu ergreifen und mit wirtschaftlich orientierten Telekommunikationsunternehmen zu kooperieren, sahen die kleineren Gemeinden im ländlichen Raum keine Möglichkeit, der Unterversorgung mit Breitband-Internet selbstständig beizukommen. Dort gab es zu der Zeit weder ein Interesse größerer Unternehmen noch die heutigen Beratungs- und Fördermöglichkeiten zur Errichtung zukunftsfähiger Breitbandnetze. So wurde etwa das Breitband-Kompetenzzentrum des Landes Schleswig-Holstein (BKZSH) erst im Jahr 2010 gegründet.

Deshalb ergriff das damalige Amt Moorrege die Initiative, um den Breitbandausbau in seinen Gemeinden voranzutreiben. Als Ergebnis einer Ausschreibung des Amtes wurde eine Kooperation mit einer privaten Firma, der Sacoin GmbH, vereinbart. Im Zuge der praktischen Umsetzung des Vorhabens zeigte sich jedoch, dass das Amt personell nicht in der Lage war, die Aufgabe selbst zufriedenstellend zu erfüllen.

Aus dem Kreis der Verbandsmitglieder des Abwasser-Zweckverbands (AZV) Pinneberg wurde das Kommunalunternehmen azv Südholstein (AöR) 2009 nachdrücklich darum gebeten, der Unterversorgung mit Breitbandanschlüssen im Verbandsgebiet entgegenzuwirken und das Vorhaben des Amtes Moorrege gemeinsam mit dem privaten Partnerunternehmen weiterzuführen.

Aufgrund der vorhandenen Solidarstruktur, des kommunalen Hintergrundes, des (bau-)technischen Know-hows, der regionalen Verbundenheit und der finanziellen Leistungsfähigkeit war der azv Südholstein aus Sicht der Initiatoren und aus eigener Sicht geeignet, diese Aufgabe – neben der Sicherstellung einer zuverlässigen Abwasserentsorgung – zu übernehmen. Der azv Südholstein versteht sein damaliges gesellschaftliches Engagement für den Ausbau eines leistungsfähigen Glasfasernetzes stets im Kontext seiner Verantwortung in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Getragen vom Solidarprinzip des Zweckverbandes und des für diesen operativ tätigen Kommunalunternehmens, war es das Ziel, durch Aufbau einer leistungsfähigen Kommunikationsinfrastruktur im ländlichen Raum die Zukunftsfähigkeit der Gemeinden zu sichern und einen direkten Beitrag zur Entwicklung der Region zu leisten.

Das Kommunalunternehmen übernahm nach einer Mehrheitsentscheidung der Verbandsversammlung und in Absprache mit dem Wirtschaftsministerium des Landes die bereits gegründete Breitband-GmbH zu 49 Prozent. Die anderen 51 Prozent verblieben zunächst in der Hand des privaten Partners. Nach Unstimmigkeiten zwischen den Partnern übernahm der azv Südholstein die spätere azv Südholstein Breitband GmbH mit allen vorgesehenen Aufgaben komplett, um die Weiterführung des Projekts sicherzustellen.

Umsetzung und Legitimation

Im Jahr 2012 konnten die ersten Haushalte mit Breitbandanschlüssen versorgt werden. In den vier Gemeinden Hasloh, Heist, Holm und Lentföhrden wurden rund 3.000 Kunden an das schnelle Internet angeschlossen. Eine notwendige Bedingung für den Start des Breitbandausbaus in einer Gemeinde war dabei stets, dass vorab mindestens 60 Prozent der ansässigen Haushalte bereits Verträge für die Breitbandversorgung abgeschlossen hatten.

Der Breitbandbetrieb wurde aufgrund der absehbaren, kostenträchtigen Erschließungsarbeiten im ländlichen Bereich stets kostendeckend ausgelegt. Eine Gewinnerwartung wurde daher von Beginn an weder dargestellt noch kommuniziert.

Das Anliegen der Gemeinden zum Aufbau einer Breitband-Infrastruktur durch den azv Südholstein war legitimiert durch Entscheidungen des Verwaltungsrates des azv Südholstein, des Hauptausschusses des  AZV Pinneberg sowie durch einen Beschluss einer großen Mehrheit in der Verbandsversammlung des AZV Pinneberg am 15. Dezember 2009.

Die Errichtungs- und Organisationssatzung für den azv Südholstein wurde mit Beschluss der Verbandsversammlung am 5. Juli 2010 ergänzt: Den dort in § 2 festgelegten Aufgaben des Kommunalunternehmens wurde als Abschnitt (1) e) hinzugefügt: „Telekommunikationsdienstleistungen einrichten und betreiben“. Nachzulesen hier: azv.sh///www.azv.sh/fileadmin/files/downloads/satzungen/azv_pinneberg/errichtungs_und_organisationssatzung_azv_suedholstein/2__AEnderung_der_Errichtungs-_und_Organisationssatzung_05-07-10_.pdf

Zu diesem Zeitpunkt war der azv Südholstein aufgrund der geltenden Gesetze davon ausgegangen, dass es sich dabei um eine zulässige, ergänzende Tätigkeit eines Kommunalunternehmens handelt, da sie noch nicht als öffentliche Aufgabe im Sinne der Gemeindeordnung definiert war. Auf Grundlage eines Urteils des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichtes ist die Breitbandversorgung erst mit einer Gesetzesänderung vom 22. März 2012 erstmals als öffentliche Aufgabe in den Aufgabenkatalog § 5 der Amtsordnung eingefügt worden.

Nachträglich wurde daher die Aufnahme in die Satzung des AZV Pinneberg und der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages durch alle Verbandsmitglieder notwendig.

Die Verbandssatzung wurde nach Beschluss der Verbandsversammlung vom 18. Juli 2016 und mit Genehmigung des Innenministeriums vom 6. Februar 2017 ergänzt durch den Zusatz in § 3, Nummer 2.5: „Der Zweckverband hat seit dem 01.01.2010 die Aufgabe, im Gebiet der Gemeinden Holm, Lentföhrden, Heist und Hasloh ein Breitbandnetz zu planen, zu errichten und zu betreiben. (…)“ Nachzulesen hier: azv.sh///www.azv.sh/fileadmin/files/downloads/satzungen/azv_pinneberg/verbandssatzung_avz_pinneberg/10._Aenderungssatzung_zur_Verbandssatzung_vom_18.07.16.pdf

Ausbaustopp, Verkauf

Einige wenige Mitgliedsgemeinden des AZV Pinneberg verweigerten die Mitwirkung an dem für die dauerhafte Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Übertragungsbeschluss bzw. die Unterschrift unter den öffentlich-rechtlichen Vertrag. Der Ausbau der Breitbandversorgung und die Ausweitung von Telekommunikationsdienstleistungen durch den azv Südholstein konnten daher nicht planmäßig fortgeführt werden, der Netzausbau wurde gestoppt. Die Einnahmen wuchsen nicht weiter wie veranschlagt, wodurch auch die laufenden Kosten, insbesondere die Personalkosten des Kundenservice und die Startinvestitionen, nicht wie geplant durch immer größer werdende Kundenumsätze geteilt werden konnten. Dadurch entstanden Verluste bei der Breitband GmbH, die nicht allein durch die laufenden Einnahmen abgedeckt werden konnten. In die Breitbandsparte wurden insgesamt rund 12 Millionen Euro investiert.

Durch die entstandenen verbandsinternen Unstimmigkeiten konnte das Breitbandgeschäft schließlich nicht weiter betrieben werden. Nachdem ein zunächst angedachter gesonderter Breitbandzweckverband nicht zustande gekommen war, wurde beschlossen, sich von der Breitbandsparte zu trennen. Im Jahr 2014 begann ein erstes strukturiertes Bieterverfahren, in dem die gesamte Breitbandsparte einschließlich der Breitband GmbH zur Übernahme angeboten wurde. Mehrere Bieter hatten im Rahmen ihrer Ankaufsprüfung hinsichtlich einer Übernahme der Breitband GmbH jedoch unter anderem mögliche beihilferechtliche Risiken ausgemacht, so dass das Verfahren ergebnislos beendet werden musste.

Im Juli 2015 startete ein zweites Bieterverfahren, wobei diesmal nur das Breitbandnetz und die dazugehörige Technik zum Verkauf angeboten wurden. Der Verkaufsprozess wurde unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten in einem strukturierten Bieterverfahren durchgeführt. Für dieses Verfahren bestehen zu beachtende rechtliche Grundsätze (u.a. Gleichbehandlungsgrundsatz, Transparenzgrundsatz). Diese Grundsätze machen es erforderlich, dass die Bieter und die Gebote der Bieter im laufenden Verfahren nicht zur Kenntnis der weiteren Bieter gelangen dürfen. Den Zuschlag erhielt im April 2016 der inzwischen gegründete Breitband-Zweckverband Marsch und Geest (BZMG) mit seinem Partner Wilhelm.tel.

Die azv Südholstein Breitband GmbH befindet sich inzwischen in Liquidation – die Auflösung der Gesellschaft wurde am 27. Juli 2017 im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Die Auflösung wird fristgemäß zum 31. Juli 2018 wirksam.

Umgang mit Verlusten

Die Jahresabschlüsse der azv Südholstein Breitband GmbH sind im Bundesanzeiger öffentlich zugänglich:
<link https: www.bundesanzeiger.de>www.bundesanzeiger.de
(per Suchfunktion)

Die Verlustsumme des azv Südholstein ist der Öffentlichkeit zugänglich. Jedes Jahr nach Fertigstellung des Jahresabschlusses erstellt der azv Südholstein einen Jahresbericht und veröffentlicht eine Kurzfassung auf der Internetseite („Das Jahr in Zahlen und Fakten“). In der Ausgabe für 2016 ist der Verlust in der Bilanz mit 6,3 Millionen Euro ausgewiesen. Nachzulesen hier:

azv.sh///www.azv.sh/fileadmin/files/downloads/infomaterial_downloadliste/170807_azv_Suedholstein_Booklet_2016_Internet.pdf

Eine gutachterliche Stellungnahme hat bestätigt, dass diese Verluste durch die ungebundene, allgemeine Rücklage des azv Südholstein bzw. aus der Eigenkapitalverzinsung ausgeglichen werden können.

Abwassergebühren nicht betroffen

Die Abwassergebühren werden vom Verkauf des Breitbandnetzes nicht beeinträchtigt. Von Beginn an waren die Finanzkreise der gebührenfinanzierten hoheitlichen Aufgaben und der Breitbandversorgung strikt getrennt. Die Gebühr für die zentrale Abwasserbeseitigung – Transport und Reinigung des Abwassers im Klärwerk Hetlingen – beträgt seit 2010 konstant 1,17 Euro pro Kubikmeter verbrauchten Frischwassers. Hinzu kommen die Gebühren für die ortsinterne Abwassersammlung, die in jeder Gemeinde unterschiedlich sind – je nachdem, wie hoch der Instandhaltungsaufwand für die Leitungen ist. Deshalb kann es durchaus zu Gebührenerhöhungen kommen, die jedoch nicht mit den Breitbandaktivitäten zusammenhängen.

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen

Von den Anzeigen und den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Itzehoe gegen zwei Personen, den ehemaligen Vorstand des azv Südholstein und den Vorsitzenden der Verbandsversammlung des AZV Pinneberg, hat die Geschäftsleitung des azv Südholstein am 25. März 2017 aus einem Pressebericht erfahren. Weitere Informationen liegen dem Kommunalunternehmen derzeit nicht vor.