Vom Reststoff zum Wertstoff

Als Klärschlamm wird ein Gemisch aus flüssigen und festen Stoffen bezeichnet, das dem Abwasser im Laufe des Reinigungsprozesses im Klärwerk entnommen wird. Je nach Herkunft ist der Schlamm unterschiedlich zusammengesetzt: Primärschlamm stammt aus der Vorklärung, wo die enthaltenen Nährstoffverbindungen noch nicht durch Mikroorganismen aufgespalten sind. Überschussschlamm kommt aus der biologischen Reinigungsstufe und enthält viele Mikroorganismen, die Schmutzstoffe aus dem Wasser entfernen.

Klärschlamm ist aber nicht nur ein Reststoff, sondern gleichzeitig auch eine wertvolle Ressource. Er enthält Nährstoffe, die bei der Klärschlammverwertung sinnvoll genutzt werden können.

  • Energieproduktion
  • Klärschlammtransport
  • Phosphorrecycling

Klärschlamm, der direkt aus dem Abwasser kommt, enthält noch einen großen Wasseranteil. Im Primärschlamm liegt der Feststoffanteil bei rund 3,5 Prozent, das heißt, dass er zu rund 96,5 Prozent aus Wasser besteht. Deshalb wird er zunächst durch einen Sedimentationsprozess eingedickt. Überschussschlamm wird mit Zentrifugen eingedickt und weist danach einen Feststoffanteil von etwa fünf Prozent auf.

Der eingedickte Schlamm wird für die energetische Klärschlammverwertung in Faulbehälter geleitet. In diesen riesigen Reaktoren kommen Mikroorganismen zum Einsatz: Sie ernähren sich von den organischen Schmutzstoffen im Schlamm und bilden dabei Klärgas. Der Hauptbestandteil von Klärgas, auch Faulgas genannt, ist Methan.

Um den Bakterien optimale Bedingungen für die Gasproduktion zu bieten, wird der Schlamm unter Sauerstoffabschluss ständig in Bewegung gehalten und dabei über Wärmetauscher geleitet. In den Faulbehältern herrscht eine Temperatur von 37 Grad Celsius. Der Schlamm bleibt etwa 18 bis 21 Tage lang im Reaktor. Danach ist er ausgefault, das heißt, dass die Bakterien keine Nährstoffe mehr daraus verwerten können. Die Masse des Klärschlamms reduziert sich bei dieser sogenannten anaerob-mesophilen Schlammstabilisierung um etwa ein Drittel.

Das entstandene Klärgas wird gespeichert und anschließend im werkseigenen Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt. Das Klärwerk Hetlingen produziert dadurch jährlich rund 18.000 Megawattstunden Strom, mehr als 70 Prozent des elektrischen Energiebedarfs für den Betrieb der gesamten Anlage. Die Abwärme des Blockheizkraftwerks wird für die Beheizung der Faulbehälter und sämtlicher Gebäude auf dem Klärwerksgelände genutzt.

Aus Klärgas gewonnene Energie zählt zu den klimafreundlichen regenerativen Energien und ist CO2-neutral.

Nach der Stabilisierung im Faulbehälter wird der Klärschlamm mittels Zentrifugen entwässert. Der übrig gebliebene Schlamm hat einen Feststoffanteil von rund 22 Prozent. Gespeichert wird er in Schlammverladesilos: Von hier aus wird der Schlamm direkt auf die Ladefläche von LKW verladen.

Im Schnitt werden im Klärwerk Hetlingen pro Tag etwa 125 bis 225 Tonnen Klärschlamm abtransportiert, das entspricht etwa fünf bis neun LKW-Ladungen pro Tag. Nachts, an Sonntagen und Feiertagen wird nach Möglichkeit kein Schlamm abgefahren. Wenn sich Transporte aus nicht beeinflussbaren Gründen verzögern und die Lagerkapazitäten voll sind, muss allerdings auch außerhalb der regulären Zeiten Schlamm abtransportiert werden. Der Klärschlamm wird in Verbrennungsanlagen gebracht und dort thermisch verwertet: Auch nach der Verwertung im Klärwerk hat er noch einen hohen Energiegehalt und ist daher als Brennstoff geeignet.

Klärschlamm enthält das lebenswichtige Element Phosphor. Jeder biologische Organismus benötigt diesen Stoff zum Aufbau seiner Zellen und zur Energiegewinnung. Phosphor ist daher unter anderem ein Bestandteil von Düngemitteln. Die natürlichen Ressourcen des Rohstoffes sind begrenzt: Der Abbau erfolgt in fernen Ländern, ist aufwändig und teuer. Es wäre daher eine gute und nachhaltige Lösung, Phosphor vor Ort aus Klärschlamm zu gewinnen und den wertvollen Rohstoff in einer Kreislaufwirtschaft zu nutzen.

Bislang gibt es zur Rückgewinnung des im Klärschlamm enthaltenen Phosphors noch keine Verfahren, die sich auf einer Großkläranlage wirtschaftlich umsetzen lassen. Daran wird jedoch fleißig geforscht: Die Erkenntnis, dass Klärschlamm kein Abfallstoff, sondern ein wichtiger Energie- und Rohstofflieferant ist, setzt sich immer mehr durch.